Verantwortlichkeit (und Schuld)

Ver­ant­wort­lich­keit defi­niert sich im Kon­text von Kri­sen nicht im phi­lo­so­phi­schen Sin­ne, son­dern viel­mehr prag­ma­tisch. Unter Ver­ant­wort­lich­keit ist gemeint, die Zustän­dig­keit für etwas oder gegen­über jeman­den nach bestimm­ten Beur­tei­lungs­kri­te­ri­en zu regeln. In Unter­neh­men wer­den sol­che Ver­ant­wort­lich­kei­ten in den Lei­stungs­ver­ein­ba­run­gen festgehalten.

Im Kon­text der Kri­se ist Ver­ant­wort­lich­keit nega­tiv kon­no­tiert: Im Vor­der­grund steht der Scha­den infol­ge eines Pro­blems. Es geht um die Fra­ge, wer die Schuld über­nimmt und wer für den Scha­den aufkommt.

Wer als ver­ant­wort­li­che Instanz bezeich­net wird, muss nicht not­wen­di­ger­wei­se die­je­ni­ge Instanz sein, wel­che durch Fehl­ver­hal­ten eine Kri­se (Ver­ur­sa­cher) aus­ge­löst hat: So kann ein Mit­ar­bei­ter auf­grund von unbe­ab­sich­tig­tem Fehl­ver­hal­ten das Pro­blem aus­ge­löst haben, wobei auf nor­ma­tiv ethi­scher, recht­li­cher oder wirt­schaft­li­chen Ebe­ne das Unter­neh­men die Ver­ant­wor­tung trägt. Inwie­weit dem Unter­neh­men die Ver­ant­wor­tung attri­bu­iert, hängt von der Art des Fehl­ver­hal­tens ab, und ob und wie stark Unter­neh­men mit der Ver­ur­sa­cher (Ver­wal­tungs­rat, Manage­ment, Mit­ar­bei­ten­de) iden­ti­fi­ziert wird.

Verantwortung als Rolle

Mit Bezug auf die Kri­sen­ver­laufs­kar­te ist Ver­ant­wort­lich­keit eine Rol­le, die einer Instanz auf den ver­schie­de­nen Ebe­nen zuge­schrie­ben wer­den kann. Für die stra­te­gi­sche Ent­scheid­fin­dung ist es von zen­tra­ler Bedeu­tung, ob und inwie­fern dem Unter­neh­men auf wel­cher Ebe­ne Ver­ant­wor­tung attri­bu­iert wird:

  • Ebe­ne 1: de fac­to Ver­ant­wor­tung (ver­trag­lich, gesetz­lich verankert)
  • Ebe­ne 2:
    - in den Medi­en dem Unter­neh­men attri­bu­ier­te und kom­mu­ni­zier­te Ver­ant­wort­lich­keit
    - vom Unter­neh­men zuge­stan­de­ne, kom­mu­ni­zier­te Verantwortlichkeit
  • Ebe­ne 3: von der Öffent­lich­keit und Bezugs­grup­pen wahr­ge­nom­me­ne, dem Unter­neh­men attri­bu­ier­te Verantwortlichkeit

Die Fra­ge der als ver­ant­wort­lich dar­ge­stell­ten (Ebe­ne 2) oder wahr­ge­nom­me­nen (Ebe­ne 3) Instanz steht im engen Zusam­men­hang mit den Aus­wir­kun­gen einer Kri­se auf die Repu­ta­ti­on des Unter­neh­mens und des Fol­ge­ver­hal­tens von Anspruchsgruppen. 

Verantwortung und kausale Dimensionen

Für das Kri­sen­ver­hal­ten der Bezugs­grup­pen in einer Kri­se spielt die dem Unter­neh­men attri­bu­ier­te Ver­ant­wor­tung eine wich­ti­ge Rol­le: Es geht um die Fra­ge, ob und in wel­chem Aus­mass die Medi­en, respek­ti­ve wel­che Bezugs­grup­pen dem Unter­neh­men die Ver­ant­wor­tung für den Miss­stand zuschreiben.

Dabei spie­len die kau­sa­len Dimen­sio­nen “per­sön­li­che Kontrollierbarkeit/Lokation (per­so­nal control/locus), exter­ne Kon­trol­lier­bar­keit (exter­nal con­trol) und Sta­bi­li­tät (sta­bi­li­ty) von Wei­ner und Kol­le­gen (vgl. Wei­ner, 1979; Wei­ner et al., 1972) zurück. Wenn bei­spiels­wei­se eine bestimm­te Ursa­che wie­der­holt mit einem bestimm­ten Ereig­nis in kau­sa­lem Zusam­men­hang beob­ach­tet wird, so wird die­se als sta­bil wahr­ge­nom­men. Coombs und Holl­aday ope­ra­tio­na­li­sie­ren die Sta­bi­li­tätdi­men­si­on u. a. als die Kri­sen­hi­sto­rie einer Orga­ni­sa­ti­on. Exter­ne Kon­trol­lier­bar­keit wird kon­zi­piert als das Aus­mass der Kon­trol­le, die ande­re Akteu­re aus­ser­halb der von der Kri­se betrof­fe­nen Orga­ni­sa­ti­on über die Ursa­che eines Kri­sen­er­eig­nis­ses haben. Die Dimen­si­on der inter­nen Kontrollierbarkeit/Lokation beschreibt hin­ge­gen, zu wel­chem Grad die Ursa­chen inner­halb der Orga­ni­sa­ti­on [inter­nes Fehl­ver­hal­ten] bzw. von der Orga­ni­sa­ti­on als kon­trol­lier­bar wahr­ge­nom­men wer­den. Dies spie­ge­le glei­cher­mas­sen die Inten­tio­na­li­tät des Orga­ni­sa­ti­ons­han­delns im Kri­sen­kon­text wider.” (Schwarz, 2008, S. 62)

Verantwortung, Reputation und Normbrüche

Nach Coombs hat die Fra­ge der Ver­ant­wort­lich­keits­zu­schrei­bung Aus­wir­kun­gen auf die Repu­ta­ti­on des Unter­neh­mens, wobei für die ver­schie­de­nen Anspruchs­grup­pen unter­schied­li­che Wer­te und Nor­men im Vor­der­grund stehen:

  • Falls es sich auch um einen recht­li­chen Norm­bruch han­delt, stellt sich aus­ser­dem die Fra­ge, wer recht­lich für den Scha­den, also für die Fol­gen auf­kom­men muss.
  • Falls es sich um einen sozi­al-ethi­schen Norm­bruch han­delt, ist mit einer Image­ein­bus­se, einem Ver­trau­ens­ver­lust gene­rell zu rechnen.
  • Falls es wirt­schaft­li­che Nor­men betrifft, kann man mit einem nega­ti­ven Fol­ge­ver­hal­ten in der Finanz­welt rechnen.

Für die stra­te­gi­sche Ent­scheid­fin­dung eines Unter­neh­mens ist es des­halb von gros­ser Bedeu­tung zu wis­sen, inwie­fern es von den ver­schie­de­nen Anspruchs­grup­pen ver­ant­wort­lich gemacht wird, und wie (und in wel­chem Aus­mass) die­se reagie­ren könn­ten (Fol­ge­ver­hal­ten von Anspruchs­grup­pen). Dies bestimmt dann im wesent­li­chen die Bot­schafts­stra­te­gie des Unternehmens.

Quel­len:

Beck, V. (2015). Ver­ant­wor­tung oder Pflicht? Zeit­schrift für prak­ti­sche Phi­lo­so­phie, Bd. 2, Heft 2, S. 165–202.

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