12. August 2021
„Bei jedem Skandal gibt es Wortführer, einige Mitläufer, viele Chronisten und wenige Skeptiker“ (Kepplinger, 2012, zitiert von Kautz (2015))
Ein Skandal liegt dann vor, wenn die Medien, die Öffentlichkeit oder Stakeholder das Problem auf ein Fehlverhalten von meist öffentlichen Personen oder Institutionen (über die Medien) als (verantwortungsloses) Fehlverhalten zurückführen und mit Empörung darauf reagieren. In diesem Sinne ist ein Shitstorm eine moderne Form der Skandalisierung. «Im Zentrum der Berichterstattung steht somit weniger der Missstand selbst, als vielmehr die Ursache und die Anprangerung des Problemverursachers mit seiner Fehlhandlung als Sündenbock.» (Baeriswyl, 2018, S. 76)
Laut Keppliger (2002, S. 81) ist
“ein Skandal […] ein Missstand, der nach einhelliger Ansicht der Urteilenden bedeutend ist, vermeidbar gewesen wäre, durch schuldhaftes Verhalten hervorgerufen wurde und deshalb allgemeine Empörung hervorruft“. «Im Zentrum der Berichterstattung steht somit weniger der Missstand selbst, als vielmehr die Ursache und die Anprangerung des Problemverursachers mit seiner Fehlhandlung als Sündenbock.” (Baeriswyl, 2018, S. 76)
Die folgenden Charakteristiken zeichnen somit einen Skandal aus (siehe auch Kepplinger, 2018):
- Nimmt Bezug auf einen materiellen oder immateriellen Missstand (siehe Burkhardt, 2006, S. 81).
- Ursache ist ein (moralisch-ethisches, ökologisches, soziales oder wirtschaftliches Fehlverhalten eines oder mehrerer Menschen. Ein Fehlverhalten bezeichnet man eine Verletzung einer Norm, respektive einen Normbruch (Kutz, 2015))
- Tendenz zur Personifizierung durch die Suche nach einem und die Thematisierung eines Verursachers (vgl. Pundt, S. 2008, S. 211).
- Der Verursacher hat vorsätzlich aus eigennützigen Gründen oder zumindest fahrlässig gehandelt. Der Verursacher war sich der Konsequenzen bewusst und hätte die Wahl gehabt, anders zu handeln.
- Kollektive emotionale Reaktionen (Empörung, Wut, Ärger) als Folge (Kepplinger, 2002, S. 81): Der Verursacher trägt die moralische Verantwortung (Verantwortlichkeitsframe). Schuld erfordert in seiner Konsequenz Sühne (Konsequenzen-Frame).
- Mediatisierung (Kumulation, Konsonanz und Öffentlichkeit nach Noelle-Neumann): Die Medien stellen das Geschehen sehr intensiv und weitgehend übereinstimmend dar. (Kepplinger, 2018, S. 28)
Von skandalbedingter Krise sprechen wir, wenn die Krise eindeutig auf ein Fehlverhalten zurückzuführen ist und in den Medien als Skandal dargestellt wird.
Skandal als Frame
Nach dem Framing-Konzept kann der Skandal mit der Verantwortlichkeitsframe gleichgesetzt werden: “Dieser Frame präsentiert ein Ereignis, Problem oder Thema so, dass für mögliche Ursachen oder Lösungen die Verantwortung bestimmten Individuen, Gruppen oder der Regierung zugeschrieben werden.” (Schenk, 2007, S. 316)
Skandalisierung
Von Skandalisierung durch die Medien spricht man dann, wenn die Medien ein Problem nicht deskriptiv darstellen, sondern (überspitzt und emotional) als Missstand infolge des Fehlverhaltens einer Person, also einen Skandal, anprangern.
Skandal und Reputation
“Je mehr die Stakeholder [respektive die Medien und die Öffentlichkeit] die Verantwortlichkeit für negative Auswirkungen der Krise einer Organisation zuschreiben, desto wahrscheinlicher resultiert dies in negativen Einstellungen gegenüber dem (vermeintlichen) Verursacher und führt zu Reputationsverlust. Mit zunehmender Kluft zwischen der von betroffenen Organisationen öffentlich übernommenen Verantwortung (Kommunikationsstrategien) und der von Stakeholdern zugeschriebenen Verantwortung (Attribution), nehmen auch die krisenbedingten Reputationsschäden zu.” (Schwarz & Löffelholz, 2014, S. 10)
Ungerechtfertigte Skandale
Skandale sind nach Kepplinger nicht in jedem Falle Instrumente der Aufklärung. “In einigen Fällen waren die meisten Berichte irreführend oder gänzlich falsch, obwohl die Fakten erkenn- und recherchierbar waren. (Kepplinger, 2018, S. 17) Das kann soweit gehen, dass jemand zu Unrecht ein Fehlverhalten vorgeworfen und angeprangert wird. “In einigen Fällen standen die unbeabsichtigten negativen Nebenfolgen in keinem Verhältnis zu den Ursachen. Die Skandalisierung Barschels, dessen Verhalten auch deshalb so empörend erschien, weil die Mitwisserschaft Engholms nicht bekannt war, endete mit dem Mord oder Selbstmord des teilweise zu Unrecht Beschuldigten.” (Kepplinger, S. 19) So kann die Skandalisierung zu “Strafen” führen oder andere Folgen bewirken, die in keinem Verhältnis zum Fehlverhalten stehen. “In einigen Fällen wurden Unschuldige mit zum Teil gravierenden Nebenfolgen geächtet. (Kepplinger, 2018, S. 23)
Untersuchungsaspekte eines Skandals
Nach Kepplinger (2018, S. 7)) kann man einen Skandal unter drei Aspekten betrachten (untersuchen):
- “Man kann den Verlauf einzelner Skandale rekonstruieren und dabei die Berechtigung der Vorwürfe untersuchen.
- Man kann bei einer möglichst grossen Zahl von Skandalen die Rolle einzelner Personen oder Organisationen betrachten — der Skandalierer und Skandalisierten, der Medien und ihres Publikums usw.
- Man kann problemorientiert die Mechanismen analysieren, die einen Missstand zu einem Skandal machen, einen Täter zu einem hilslosen Opfer, ein desinteressiertes Publikum zu einer empörten Masse und den Skandal zur Quelle von grossen Schäden.”
Skandal und Konflikt
Ein publizistischer Konflikt kann sich zu einem Skandal entwickeln, wenn die Medien und die Oeffentlichkeit unisono die eine Position, Haltung oder Verhalten als schlecht/verwerflich wahrnehmen respektive darstellen. Dies war der Fall bei Brent Spar, der anfänglich als Konflikt dargestellt worden ist. Aufgrund der Protestaktionen und Veröffentlichungen von Greenpeace befürworteten die Medien und die Oeffentlichkeit Deutschlands nach und nach die Haltung von Greenpeace und verurteilten die Absicht von Shell als Fehlverhalten. (Siehe Konflikt)
Rollen beim Skandal (siehe Konflikt)