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Handlungsfelder (konzeptgesteuerte Kommunikation)

Ziel­grup­pen erreicht man direkt oder indi­rekt über Kanä­le, Medi­en oder ande­re Kom­mu­ni­ka­ti­ons­in­stru­men­te, was wir in der kon­zept­ge­steu­er­ten Kom­mu­ni­ka­ti­on als Hand­lungs­fel­der bezeich­nen. Zu die­sen gehö­ren unter ande­rem die klas­si­schen Medi­en, die Social Media und die Eventkommunikation.

Hand­lungs­fel­der las­sen sich nach ver­schie­de­nen Kri­te­ri­en typo­lo­gi­sie­ren. Im Zusam­men­hang mit Kri­sen schei­nen dies­be­züg­lich die fol­gen­den Kri­te­ri­en als Unter­schei­dungs­merk­ma­le sinnvoll:

  • die Zahl der am Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­zess Betei­lig­ten (one to one, many to many, one to many)
  • sowie die Fra­ge, ob das Hand­lungs­feld pri­mär für ein­sei­ti­ge Infor­ma­ti­ons­funk­tio­nen oder als Dia­log­me­di­um (rezi­prok) prä­de­sti­niert ist.
Klassische Handlungsfelder

Betrach­tet man die bis­her behan­del­ten Fäl­le mit der Kri­sen­ver­laufs­kar­te, so tre­ten die klas­si­schen Medi­en bei einer Kri­se in den Vor­der­grund. Es ist anzu­neh­men, dass dies mit der Glaub­wür­dig­keit der Medi­en zusammenhängt.

Die übri­gen Hand­lungs­fel­der, die gröss­ten­teils in der mar­ke­ting­ori­en­tier­ten Kom­mu­ni­ka­ti­on zum Ein­satz gelan­gen, sind Instru­men­te zur Prä­ven­ti­on vor der Kri­se oder zur Nach­be­rei­tung der Kri­se. Als Ad-hoc-Instru­men­te für den zeit­ge­rech­ten Ein­satz wäh­rend einer Kri­se eig­nen sich kaum. Dies gilt in erster Linie für kon­flikt­be­ding­te Kri­sen, da der Ein­satz sol­cher kosten­in­ten­si­ver Medi­en in der Öffent­lich­keit schnell ein­mal den Ein­druck der Mani­pu­la­ti­on dank wirt­schaft­li­cher Macht erweckt.

Hand­lungs­fel­der der klas­si­schen Kommunikation

Handlungsfelder im Internet

Die Abbil­dung klas­si­fi­ziert die typi­schen Hand­lungs­fel­der der Inter­net­kom­mu­ni­ka­ti­on nach den oben erwähn­ten Kri­te­ri­en. Unter der Berück­sich­ti­gung der in der Kri­sen­ver­laufs­kar­te ent­hal­te­nen Syste­ma­ti­sie­rung haben in Kri­sen­si­tua­tio­nen die Dien­ste des Social Web eine beson­de­re Bedeutung.

Hand­lungs­fel­der der Internetkommunikation

In einer Kri­sen­si­tua­ti­on hält sich aller­dings auch hier die Wahl­frei­heit in Gren­zen: Wenn man im Nor­mal­fall bei der Gewich­tung und Wahl der Hand­lungs­fel­der rela­tiv freie Hand hat, so wer­den die­se zumin­dest bei einem Kri­sen­aus­bruch durch die Initi­al­me­di­en der Kri­se vor­be­stimmt. So kommt man nicht umhin, bei einem über die Tages­zei­tun­gen über­tra­ge­nen Skan­dal die­sel­ben Tages­zei­tun­gen bei einer Stel­lung­nah­me zu berück­sich­ti­gen. Eben­so muss man bei einem Shits­torm über die­sel­ben Social Media Kanä­le agie­ren, über die der Shits­torm läuft. Ein Ver­trau­ens­ver­lust der Finanz­ge­sell­schaft ruft wäh­rend der Kri­se nach Reak­tio­nen über Finanz­me­di­en. Über Bro­schü­ren oder Pla­ka­te ver­brei­te­te PR-Inhal­te schla­gen ins Lee­re und wir­ken in einer Kri­se bereits auf­grund der Wahl des Medi­ums unglaub­wür­dig (sie­he Deep­wa­ter Hori­zon).

Die ver­schie­de­nen Hand­lungs­fel­der haben ganz unter­schied­li­che Beein­flus­sungs­po­ten­tia­le (Mei­nungs­bil­dungs­power) und Brei­ten­wir­kun­gen. Dies soll­te man bei den stra­te­gi­schen Über­le­gun­gen unter der Berück­sich­ti­gung des Aus­mas­ses einer publi­zi­stisch-öffent­li­chen Kri­se in Betracht ziehen.

Die Abbil­dung unten ent­hält eine Grob­ein­schät­zung kri­sen­re­le­van­ter Hand­lungs­fel­der unter der Berück­sich­ti­gung des Mei­nungs­bil­dungs­po­ten­ti­als und der Brei­ten­wir­kung, wobei hier auch die Inter­per­so­na­le Kom­mu­ni­ka­ti­on berück­sich­tigt ist.

Je nach Kri­sen­si­tua­ti­on, Stand­ort und Grös­se des Unter­neh­mens, der Medi­en­land­schaft, Glaub­wür­dig­keit der Medi­en und Medi­en­ver­hal­ten kön­nen situa­ti­ve Kri­te­ri­en für die Wahl der Hand­lungs­fel­der rele­vant sein. Breit­sohl nennt das Mei­nungs­bil­dungs­po­ten­zi­al und die Brei­ten­wir­kung als rele­van­te Kriterien.

Sol­che Vor­über­le­gun­gen über das Wir­kungs­po­ten­ti­al der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­in­stru­men­te wer­den in der Pra­xis ger­ne ver­nach­läs­sigt, was denn auch dazu füh­ren kann, dass die Mit­ar­bei­ter­schaft, die an sich an erster Stel­le infor­miert wer­den soll­te, über die Medi­en über die Orga­ni­sa­ti­ons­kri­se infor­miert wird.

Klassische Medien als primäres Handlungsfeld

Bei all den Unter­neh­mens­kri­sen, die abrupt publik wer­den oder erst vor der Kata­stro­phe das Inter­es­se und die Auf­merk­sam­keit der Öffent­lich­keit fin­den, spie­len die klas­si­schen Medi­en auch im Inter­net­zeit­al­ter eine Schlüsselrolle.

Gegen­über den Dienst­lei­stun­gen des Inter­nets heben sie sich durch ihre Glaub­wür­dig­keit ab. Dar­an dürf­te sich in naher Zukunft nichts ändern, wenn man die Ent­wick­lun­gen der Infor­ma­ti­ons­qua­li­tät (wie bei­spiels­wei­se Fake News) in den Social Media in Betracht zieht.

Klassische Internetdienste

Die ver­schie­de­nen Inter­net­dien­ste haben in der Kri­sen­kom­mu­ni­ka­ti­on die Funk­ti­on eines Infor­ma­ti­ons­ver­tei­lers an die Medi­en wie auch als Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel mit der Öffent­lich­keit und mit Anspruchs­grup­pen. „Ins­be­son­de­re das Inter­net qua­li­fi­ziert sich als Kri­sen­kom­mu­ni­ka­ti­ons­me­di­um, weil es völ­lig neue For­men der Infor­ma­ti­ons­be­reit­stel­lung und ‑aus­wer­tung ermög­licht. Das dau­ernd und glo­bal zur Ver­fü­gung ste­hen­de Daten­netz bie­tet die Mög­lich­keit, einen Zusatz­nut­zen für die Infor­ma­ti­ons­nach­fra­ger zu kre­ieren. Das Inter­net erlaubt eine zeit­na­he, inter­ak­ti­ve und ziel­grup­pen­ori­en­tier­te Infor­ma­ti­ons­po­li­tik. Infor­ma­tio­nen kön­nen sehr viel schnel­ler, wesent­lich aktu­el­ler und vor allem per­so­na­li­siert bereit­ge­stellt wer­den. Zur Vor­be­rei­tung auf kon­kre­te Kri­sen­si­tua­tio­nen emp­fiehlt es sich, vor­ab kon­fi­gu­rier­te und im Kri­sen­fall schnell frei­schalt­ba­re Sei­ten vor­zu­hal­ten. Selbst Pres­se­kon­fe­ren­zen und Ana­ly­sten­tref­fen errei­chen ein höhe­res Niveau, da sich die Teil­neh­mer mit vor­ab elek­tro­nisch ver­teil­tem Hin­ter­grund­ma­te­ri­al vor­be­rei­ten kön­nen. Mit­tel­fri­stig kön­nen Inve­stor Rela­ti­ons-Abtei­lun­gen vom täg­li­chen Papier­krieg mit Infor­ma­ti­ons­ma­te­ri­al befreit und somit auch Kosten ein­ge­spart wer­den. Über die Zugriffs­sta­ti­sti­ken auf den eige­nen Web­ser­ver kann das Con­trol­ling der Inve­stor Rela­ti­ons-Akti­vi­tä­ten wesent­lich genau­er erfol­gen.“ (Loca­rek-Jun­ge 2003, S. 137)

Über das Inter­net kön­nen Unter­neh­men wäh­rend der Kri­se eine Dark Site auf­schal­ten, um ihre Berich­te und Berich­te unge­fil­tert zu publi­zie­ren; sie errei­chen so News­groups und Mul­ti­pli­ka­to­ren und ver­mei­den damit, dass wich­ti­ge Mei­nungs­bild­ner Infor­ma­tio­nen aus dem Inter­net aus­schliess­lich von­sei­ten der Kon­tra­hen­ten erhal­ten (Homu­th 2000, S. 41). Obwohl heu­te eine Web­site ohne Ver­net­zung und Such­ma­schi­nen­stra­te­gie einer Nadel im Heu­hau­fen gleich­kommt, kann man davon aus­ge­hen, dass die Inter­net­si­te des Unter­neh­mens von den invol­vier­ten Krei­sen, den Betrof­fe­nen, den Inter­es­sier­ten und den Medi­en aktiv gesucht und kon­sul­tiert wird. Dies soll­te jedoch nicht davon abhal­ten, die genann­ten Krei­se per E‑Mail mit einem ent­spre­chen­den Link zur Kon­sul­ta­ti­on der Dark Site einzuladen.

Der Kri­sen­for­scher Frank Rose­lieb nennt als Para­de­bei­spiel für erfolg­rei­che Kri­sen­kom­mu­ni­ka­ti­on über das klas­si­sche Web die Ereig­nis­se um den Absturz einer Swis­sair-Maschine 111 am 3. Sep­tem­ber 1998 vor der kana­di­schen Küste. Inner­halb weni­ger Stun­den hat Swis­sair über die Ereig­nis­se infor­miert. „In drei Spra­chen (Deutsch, Eng­lisch und Fran­zö­sisch) konn­ten Pres­se­mit­tei­lun­gen, Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen zum Flug­zeug­typ und zur Flug­rou­te abge­ru­fen wer­den.“ (Rose­lieb 2004) Noch am glei­chen Tag folg­ten wei­te­re adres­sen­ge­rech­te Infor­ma­tio­nen: State­ments, eine Kon­do­lenz­sei­te und wich­ti­ge Tele­fon­num­mern für die Ange­hö­ri­gen. Die Jour­na­li­sten wur­den aus erster Hand und in Echt­zeit informiert.

Das Web dient trotz sei­nes zeit­ver­zugs­lo­sen Cha­rak­ters vor allem als kom­ple­men­tä­res Medi­um inner­halb der Kri­sen­kom­mu­ni­ka­ti­on, das vor allem bei aku­ten Kri­sen infol­ge der Zeit­ver­zugs­lo­sig­keit einen hohen Stel­len­wert hat (Homu­th 2000, S. 42).

Das Web 2.0 (Social Media)

Die Benut­zer­zah­len der Inter­net­dien­ste, die unter den Begrif­fen Web 2.0 oder Social Media zusam­men­ge­fasst wer­den, sind in den ver­gan­ge­nen Jah­ren explo­diert und kön­nen in der Unter­neh­mens­kom­mu­ni­ka­ti­on nicht mehr aus­ser Acht gelas­sen wer­den (sie­he S. 91).

Die Dien­ste des Web 2.0 sind dazu geeig­net, die unmit­tel­ba­re Kom­mu­ni­ka­ti­on mit den Bezugs­grup­pen auf­zu­neh­men. Sie erfor­dern jedoch eine schnel­le Reak­ti­ons­zeit auf Fra­gen, Mei­nun­gen, Kom­men­ta­re und all­fäl­li­ge Vor­wür­fe der Community.

Da das Web 2.0 jeden Inter­net­user zum poten­zi­el­len Autoren macht, ist es auch ein aus­ge­zeich­ne­ter Nähr­bo­den für Gerüch­te, Halb­wahr­hei­ten, miss­ver­ständ­li­che oder nicht veri­fi­zier­te Infor­ma­tio­nen und Mei­nun­gen, die sich direkt gegen das Unter­neh­men rich­ten oder die­sem auf ande­re Wei­se scha­den kön­nen (sie­he S. 99). Zudem besteht die Gefahr, dass unwe­sent­li­che Hand­lun­gen des Unter­neh­mens hoch­sti­li­siert, Per­so­nen skan­da­li­siert und klei­ne Vor­fäl­le dra­ma­ti­siert wer­den und so einen Shits­torm aus­lö­sen kön­nen (sie­he S. 94). Wei­ter oben haben wir gezeigt, dass die Social Media in einem moder­nen Issue Manage­ment einen hohen Stel­len­wert haben, da sie unter ande­rem für die klas­si­schen Medi­en als vor­me­dia­ler Raum die­nen und im Fal­le eines Shits­torms ein Dif­fu­si­ons­me­di­um für Inhal­te von Kon­tra­hen­ten des Unter­neh­mens sein kön­nen. Die Dien­ste des Web 2.0 sind folg­lich in das Scan­ning und Moni­to­ring von Issues und poten­zi­el­len Krisen

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