30. Januar 2023 (überarbeitet am 10. Oktober 2023)
Framing (siehe Framing) sind Deutungsmuster. Dieser Beitrag enthält unterschiedliche Systematiken, die als Grundlage für die Kategorienbildung im Codebuch einer Inhaltsanalyse dienen können. Bekannt ist die Systematik von Semetko und Valkenburg, die mit Ausnahme des Moral auch bei Schenk (2018, S. 316) enthalten sind.
Untersucht man Deutungsmuster in Medienbeiträgen, so erforscht man die medial dargestellten/kommunizierten Frames (Ebene 2 der Krisenverlaufskarte). Es handelt sich also um eine spezielle Art der qualitativen oder auch quantitativen Inhaltsanalyse.
Dabei kann man induktiv oder deduktiv vorgehen:
- A) Deduktiv: Man nimmt klassische Deutungsmuster (Frames nach Semetko oder Krisenframes nach Baeriswyl.) als Ausgangslage (Kategoriensystem) und überprüft, ob und wie diese Grundmuster in den untersuchten Texten auftauchen.
- B) Induktiv: Man analysiert den Text hinsichtlich Aspekten, rhetorischen Mitteln und emotionalisierenden/wertenden Wörtern und leitet daraus Deutungsmuster ab, respektive stellt sich nachträglich die Frage, welche der klassischen Deutungsmuster hier zutreffen oder ob sich neue Muster ergeben.
Klassische Systematik für allgemeine deduktive Frame-Analysen in Medienbeiträgen nach Semetko & Valkenburg
Bekannt ist die Systematik von Semetko und Valkenburg (2000, S. 93–110), ebenfalls von Michael Schenk (2018, S. 316) übernommen worden ist.
Semetko, H. and Valkenburg (2000) haben quantitative deduktive Framenalysen von 257 niederländischen und französischen Zeitungen zwischen 2001 und 2007 während der jährlichen Konferenzen der Vertragsparteien der Vereinten Nationen durchgeführt. Sie berücksichtigen in ihren Untersuchungen die folgenden fünf Frames:
Zuschreibung von Verantwortung (Verantwortlichkeit-Frame)
- Deutet die Story darauf hin, dass eine Führungsstufe (Regierungsebene) in der Lage ist, das Problem zu lindern/zu lösen?
- Deutet die Story darauf hin, dass eine Führungsstufe (Regierungsebene) verantwortlich für das Thema/Problem ist
- Deutet die Story auf Lösungen des Problems/Themas hin?
- Deutet die Story darauf hin, dass eine Person (eine Gruppe in unserer Gesellschaft) verantwortlich für das Problem/Thema ist?
- Deutet die Story darauf hin, dass das Problem dringenden Handlungsbedarf erfordert?
Human Interest Frame
- Bietet die Story ein menschliches Beispiel oder “Gesicht” zu diesem Thema?
- Nutzt die Story Adjektive oder persönliche Vignetten, die Gefühle der Hochachtung, Empathie, Fürsorge, Sympathie oder Leidenschaft hervorrufen könnten?
- Betont die Story, wie Individuen und Gruppen vom Thema/Problem betroffen sind?
- Thematisiert die Story das Privatleben der Akteure (Instanzen)?
- Enthält die Story Bildinformationen, die ein Gefühl von Hochmut, Fürsorge, Sympathie oder Mitgefühl hervorrufen könnten?
Konflikt-Frame
- Reflektiert die Story Uneinigkeit zwischen Parteien/Individuen/Gruppen/Ländern?
- Macht eine Partei/Individuum/Gruppe/Land dem andern Vorwürfe?
- Nimmt die Story Bezug auf zwei oder mehrere Seiten des Problems oder des Themas?
- Nimmt die Story Bezug auf Gewinner und Verlierer?
Moral-Frame (Werte-Frame)
- Enthält die Story eine moralische Botschaft?
- Nimmt die Story Bezug auf eine Moral (Werte), zu Gott, oder anderen religiösen Prinzipien?
- Bietet die Story spezielle soziale Verhaltensvorschriften?
Konsequenzen-Frame (ökonomisch)
- Werden zukünftige (finanzielle) Verluste oder Gewinne erwähnt?
- Werden Kosten/Aufwand genannt?
- Nimmt man Bezug auf (ökonomische) Konsequenzen bei der Verfolgung/Nichtverfolgung einer Vorgehensweise?
Systematik für deduktive Analysen von Krisenframes (Baeriswyl & Grynko)
Wir haben unterder Berücksichtigung der Ansätze zu Nachrichtenframes und der Theorie von Coombs ein Kategorienschema entworfen, das zwischen deskriptiven, problembezogenen und normativen Frames unterscheidet (siehe Krisenframes)
Deskriptive Frames (siehe Problemaspekte)
Problem-Frame
Bezeichnet der Beitrag den problematischen Zustand als eine Krise.
Verniedlicht der Beitrag das Problem? Stellt der Beitrag das Problem grösser dar als es ist.
Schaden-Frame
Fokussiert der Beitrag auf den materiellen/wirtschaftlichen Schaden?
Verniedlicht oder überzeichnet er den materiellen/wirtschaftlichen Schaden
Verursacher
Fehlverhalten als Ursache (siehe auch morphologischer Kasten)
Schicksal
Schicksal als Ursache: Wir das Problem als Unfall oder als Fügung des Schicksals
Schaden an Menschen als Folge (Opfer)
menschlicher Schaden als Folge: Werden menschliche Opfer und deren Leiden erwähnt? Wird eine Story von einem Opfer und dessen Schicksal ins Zentrum der Berichterstattung gerückt? Wird mit rhetorischen Stilmitteln dramatisiert?
Normative Frames (siehe Verantwortung)
Schuld-Frame
Wird jemandem die Schuld für das Problem zugeschoben? Handelt es sich um eine moralische, rechtliche oder wirtschaftliche Schuld?
Verantwortlichkeit-Frame
Deutet der Beitrag darauf hin, dass das Unternehmen verantwortlich ist für das Problem? Wird diese Verantwortung auf die Schuldfrage zurückgeführt? Deutet die Story darauf hin, dass das Unternehmen verantwortlich für den Schaden und die Problemlösung ist.
Konsequenzen-Frame
Werden Konsequenzen (Pflichten, Strafen) genannt, die der Verantwortliche zu tragen hat.
Systematik Episodisch — thematisch
Eine andere Systematik wurde von Ivengar (1991) vorgenommen. Unterschieden wird nach
b) thematisch (Problem/Thema im breiteren Kontext.
a) episodischen Frames: Erzählstil (Story), bezogen auf eine Person oder auf ein Ereignis bezogen, Tiefenanalyse;
Studienergebnisse: “Consuming TV News with thematic Frames audience tended to consider society responsible for the problem. Watching News with Episodic Frames, they tended to believe that individuals are responsible for the covered problem.”
Shen (2004, S. 123–137) macht eine ähnliche Systematisierung für die politische Berichterstattung. Er unterscheidet nach Themen- und Charakter-Frames.
Frames und Nachrichtenfaktoren
Schenk sieht grosse Parallelen von Frames und Nachrichtenfaktoren: “Teilweise sind diese Frames kompatibel zu den Nachrichtenfaktoren, die Journalisten allgemein bei der Selektion und Präsentation von Nachrichtenfaktoren (siehe Nachrichtenwert), die Journalisten allgemein bei der Selektion und Präsentation von Nachrichten verwenden […]. (Schenk, 2008, S. 324) So lassen sich Themen-Frames den informativ-faktenbezogenen Nachrichtenwerten zuordnen. Charakter-Frames gehören dem emotiv-personenbezogenen Bereich an. Parallelen lassen sich auch zum Beschrieb der Aspekte einer Krise feststellen.
Quellen:
Iyengar, S. (1991). Is anyone responsible? How television frames political issues. University of Chicago Press.
Shen, F. (2004). Chronic Accessibility and Individual Cognitions: Examining the Effects of Message Frames in Political Advertisement. In: Journal of communication. Vol. 54. S. 123–137.