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Problemaspekte und Deutungsmöglichkeiten eines Problems (deskriptive Frames)

2. April 2023

Pro­ble­ma­ti­sche Zustän­de (Kri­sen­land­kar­te: genui­ne Ebe­ne) ent­ste­hen auf­grund einer Ket­te von (Negativ-)Ereignissen, beab­sich­tig­ten (Fehl-)Handlungen oder unbe­ab­sich­tig­tem Fehl­ver­hal­ten. Meist haben sie nega­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf Sach­wer­te, die Umwelt oder Men­schen (Fol­gen), was wie­der­um (meist nega­ti­ve) Reak­tio­nen (Kri­sen­ver­laufs­kar­te: Ver­hal­tens­ebe­ne) zur Fol­ge hat.

Mediale Ebene und öffentliche Wahrnehmung: Darstellung und Deutung durch Akzentuierung (Framing)

Ana­log dazu kann ein als Miss­stand wahr­ge­nom­me­nes Pro­blem auf media­ler Ebe­nen durch die Hervorhebung/Weglassung von Aspek­ten einer Kri­se dar­ge­stellt wer­den. Je nach Akzen­tu­ie­rung spricht man Unfall­kri­se, Skan­dal oder Drama.

 

Die Gra­fik unten sche­ma­ti­siert unter der Berück­sich­ti­gung der Dimen­sio­nen “Ursache/Verschulden — Auswirkungen/Folgen” und “sach-/ereig­nis­be­zo­gen — per­so­nen-/hand­lungs­be­zo­gen” mög­li­che Aspek­te eines als Kri­se wahr­ge­nom­me­nen pro­ble­ma­ti­schen Zustands. Die­se Aspek­te könn­te man auch als Deu­tungs­mu­ster bezeich­nen. Es sind zen­tra­le Ele­men­te des Framings.

Das Sche­ma geht vom Miss­stand (Mit­te) als nega­tiv emp­fun­de­nen Zustand aus und berück­sich­tigt zwei Dimensionen:

  1. Ursa­che — Aus­wir­kun­gen (Scha­den, Geschä­dig­te) auf der x‑Achse
  2. sach-/ereig­nis­be­zo­gen — per­so­nen-/hand­lungs­be­zo­gen auf der y‑Achse

Dar­aus las­sen sich nun ein­zel­ne in der Framing-Theo­rie fest­ge­hal­te­nen all­ge­mei­ne Deu­tungs­mu­ster (Sche­ma­ta nach Kepp­lin­ger, 2018), die auf Kri­sen zutref­fen (Kri­sen-Frames), ableiten:

  1. Der Skan­dal oder die Skan­da­li­sie­rung (Ver­ant­wort­lich­keits­frame nach Schenk, 2007) im Kreis­aus­schnitt links unten. The­ma­ti­siert wird ein Fehl­ver­hal­ten als Ursa­che des Miss­stands. Dabei macht es einen gros­sen Unter­schied, ob es sich um ein absicht­li­ches ethi­sches, recht­li­ches, öko­lo­gi­sches, wirt­schaft­li­ches Fehl­ver­hal­ten han­delt und wer für das Fehl­ver­hal­ten ver­ant­wort­lich gemacht wird. Wird der “Sün­den­bock” dem Unter­neh­men, einem Mit­ar­bei­ter, einer exter­nen Orga­ni­sa­ti­on oder Per­son zuge­scho­ben? Pro­ble­ma­tisch wird es, wenn das Unter­neh­men für den Miss­stand ver­ant­wort­lich gemacht wird. Für eine sol­che Situa­ti­on hat Breit­sohl ver­schie­de­ne Ver­hal­tens­mu­ster und Stra­te­gie­op­tio­nen iden­ti­fi­ziert. Skan­da­li­sie­rung schürt Emo­tio­nen wie Wut, Ent­rü­stung, Ent­täu­schung, Hass.
  2. Das Dra­ma oder die Dra­ma­ti­sie­rung im Kreis­aus­schnitt rechts unten. Wie beim Fehl­ver­hal­ten, ist die­se Akzen­tu­ie­rung emo­tio­na­li­sie­rend. Geweckt wer­den Emo­tio­nen wie Trau­er. Es wird ent­spre­chend emp­foh­len, dass hier die Reprä­sen­tan­ten des Unter­neh­mens Empa­thie zeigen.
  3. Die The­ma­ti­sie­rung des Pro­blems respek­ti­ve die Pro­ble­ma­ti­sie­rung durch die Akzen­tu­ie­rung des Miss­stan­des als sol­chen (im Kreis in der Mitte).
  4. Die The­ma­ti­sie­rung mate­ri­el­ler Ursa­chen wie Pro­dukt­män­gel, Maschi­nen­aus­fäl­le usw. (im Kreis­seg­ment links oben)
  5. Die The­ma­ti­sie­rung von Sach- und Umwelt­schä­den als Fol­gen des Pro­blems (im Kreis­seg­ment rechts oben).

Eine Son­der­stel­lung nimmt der Kon­flikt als Aus­ein­an­der­set­zung zwi­schen Orga­ni­sa­tio­nen und Men­schen ein. In der Dar­stel­lung eines Pro­blems als einen Kon­flikt wer­den zwei oder meh­re­re Posi­tio­nen der Kon­tra­hen­ten “neu­tra­le” dar­ge­stellt. Ver­schiebt sich jedoch die Per­spek­ti­ve zugun­sten eines Kon­tra­hen­ten, wird der eine zum Opfern und der ande­re zum Sün­den­bock (Fehl­ver­hal­ten).

Mit der stei­gen­den Ten­denz auf media­ler Ebe­ne hin zum Sto­ry­tel­ling nimmt auch die Dar­stel­lung von Miss­stän­den als Skan­da­le oder als Dra­men zu. Die Zuschrei­bung von Ursa­che und Wir­kung ist übri­gens ein all­ge­mei­nes mensch­li­ches Bedürf­nis (Schwarz, S. 60).

“überzeichnen/emotionalisieren” durch skandalisieren, dramatisieren und problematisieren

Weitere Dimensionen

Im Hin­blick auf die stra­te­gi­sche Ent­scheid­fin­dung kom­men wei­te­re Dimen­sio­nen in Betracht:

a) intern — extern
b) Ver­ant­wort­lich­keits­stu­fen

c) die Rol­le des Unter­neh­mens (ver­ant­wort­lich, Kon­tra­hent oder Opfer?)

Die Krisenrolle des Unternehmens: verantwortlich und/oder Opfer?

Die Akzen­tu­ie­rung hängt eng damit zusam­men, wel­che Rol­le die Öffent­lich­keit und Bezugs­grup­pen dem Unter­neh­men zuschrei­ben: Je nach Ergeb­nis die­ser nai­ven Kau­sal­ana­ly­se [Ursa­che — Wir­kung] gelan­gen sie [die Bezugs­grup­pen] zur Ein­schät­zung des Gra­des von Ver­ant­wort­lich­keit für die Kri­se, den sie einer invol­vier­ten Orga­ni­sa­ti­on zuschrei­ben.” (Schwarz, 2008, 62).

Bei der Akzen­tu­ie­rung von Ursa­chen geht es um die Fra­ge, ob und inwie­fern dem Unter­neh­men die Rol­le der ver­ant­wort­li­chen Instanz (schwar­ze Peter) zuge­scho­ben wird. Man kann in Anleh­nung an Coombs davon aus­ge­hen, dass, je stär­ker das Unter­neh­men mit der Ver­ant­wor­tungs­rol­le ver­bun­den wird, desto grös­ser grös­ser wird das Risi­ko von Repu­ta­ti­ons­ver­lust und nega­ti­vem Fol­ge­ver­hal­ten von Stakeholdern.

Bei der Akzen­tu­ie­rung der Aus­wir­kun­gen geht es um die Fra­ge, ob und inwie­fern das Unter­neh­men als Opfer dargestellt/wahrgenommen wird. In die­sem Fall muss man mit kei­ner unmit­tel­ba­ren Aus­wir­kung auf die Repu­ta­ti­on des Unter­neh­mens rech­nen. Die The­ma­ti­sie­rung des Scha­dens kann aber zu nega­ti­ven Reak­tio­nen von Stake­hol­dern führen.

Coombs hat auf der Basis die­ser Rol­len­zu­tei­lung eine Typo­lo­gi­sie­rung von Unter­neh­mens­kri­sen vor­ge­nom­men und anhand empi­ri­scher Befun­de Ver­hal­tens­stra­te­gie­clu­ster und rhe­to­ri­sche Bot­schafts­clu­ster abge­lei­tet. Ent­spre­chend unter­schei­det er zwischen:

a) Opfer­kri­se (das Unter­neh­men als geschä­dig­te Instanz (Gra­fik: Kuchen rechts)

b) Unfall­kri­se (mate­ri­el­le Ursa­chen; unbe­ab­sich­tig­tes Fehl­ver­hal­ten) (Gra­fik: Kuchen links)

c) ver­meid­ba­re Kri­se (Fehl­ver­hal­ten des Unter­neh­mens, beab­sich­tigt oder aus Nach­läs­sig­keit) (Gra­fik: Kuchen links unten)

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